Sonntag, 28. September 2008

Mein Fahrrad...

Immer wieder werde ich gefragt, ob ich denn nun im glücklichen Besitz eines Fahrrads sei. Hier meine zögerliche Antwort: Ja, endlich, und nein, schon nicht mehr. Aber der Reihe nach:
Fahrräder sind in Taiwan in den letzten Jahren stetig teurer geworden. Die Nachfrage nach Secondhand-Rädern ist in Taipei enorm gross. Nun gibt es hier an der Taida eine vorzügliche Einrichtung, die uns Studenten ermöglicht, günstig an ein gebrauchtes Fahrrad zu kommen. Und zwar funktioniert das so: Von Zeit zu Zeit findet auf dem Shuiyuan-Campus, hier auch als „Fahrradfriedhof“ bekannt, eine Auktion statt. Man kann dort hin gehen, ab 8 Uhr morgens gehts los. Jeder bekommt dann eine Nummer in die Hand gedrückt und dann heisst es warten, bis man an die Reihe kommt und in die Halle gelassen wird, wo man sich ein Fahrrad aussuchen kann. Jedes Fahrrad, ob chic oder schäbig, kostet 400NT$. Soweit, sogut. Beim ersten Mal waren wir Neulinge um 7 Uhr morgens dort, viel zu spät, wie sich sofort herausstellte. Wir konnten uns gleich wieder auf den Heimweg machen. Ich wollte es noch einmal versuchen. Beim zweiten Mal war ich früher dort (nein, wegen eines Fahrrads in der Kolonne vor einem Schuppen zu übernachten, hätte ich dann doch ein wenig übertrieben gefunden...) und erhielt, nachdem es endlich 8 Uhr geworden war, sogar eine Nummer, wenn auch eine weit über die 300 hinaus. Als ich dann etwa um 11 Uhr an die Reihe kam, war natürlich nicht mehr viel übrig, was sich auch bei dem kleinen Preis als „Good buy“ bezeichnen liesse. Aber irgendwann, und nach so langem Warten, spielt das alles keine Rolle mehr. Ich war „erfolgreich“ und konnte gerade noch ein Fahrrad ergattern. So bin ich nun stolze Besitzerin eines alt-ehrwürdigen, knallroten LungChing Rades. Eigentlich ist es genau das, was ich mir gewünscht hatte: Ich wollte ein altes Rad, denn die Wahrscheinlichkeit, dass es gestohlen wird, ist hier doch ziemlich hoch. Zudem wollte ich eines, welches einfach zu finden ist zwischen all den Rädern. Es gibt ja nichts mühseligeres, als sechs Mal täglich meterweise Fahrradständer abzuschreiten und jedes Fahrrad anschauen zu müssen, bis man sein eigenes wieder erkannt hat. Meine Devise bei der Fahrrad-Wahl lautete: So auffällig wie möglich, so unscheinbar wie nötig. Mein knallrotes Rad mit antiquarisch anmutendem, geschwungenem Lenker ist genau so ein Rad. Sicher, es ist alt, ein wenig schäbig, die Reifen sind spröde von der Sonne, beim Treten gibt das linke Pedal ein Kratzgeräusch von sich, an den Speichen haben bis vor kurzem Hühnerfedern geklebt. Es ist mir zu tief, der unbequeme Sattel aber nicht verstellbar. Und dennoch, ich liebe es! Es ist rot, robust, leicht und wendig, die Kette läuft wie geschmiert und die Bremsen greifen wie der Teufel! Die Vorzüge meines Fahrrads verleiten mich in Anflügen von Übermut immer wieder zum Rasen, ich fege bei Regen und Wind über den Campus, nehme dabei jedem Autofahrer die Vorfahrt; auf der Strasse stelle ich mich manchmal, wenn es mich ankommt, dem Rennen mit den Motorrollern. Oh, mein Fahrrad kann aber auch ganz anders! Meist gondle ich brav und genüsslich auf dem Gehweg daher, so, wie es sich für eine gute Taidastudentin geziemt. Bin äusserst rücksichtsvoll, bin das gute Beispiel einer wohlerzogenen Ausländerin in Person, nicke dazu freundlich grüssend von meinem alten Fahrrad herunter den Strassenhändlern und Passanten zu, ganz so, als führe ich Sonntag nachmittags meinen Rolls-Royce spazieren. Ich bilde mir ein, deswegen immer wieder leicht irritierte Blicke zu ernten. Nun... die Freude hat nicht lange gewährt. Nein, mein Fahrrad ist natürlich nicht geklaut worden, wer will schon so ein schäbiges Rad, wo hier doch alles Statussymbol ist! Nein, alles viel einfacher: Ich war auf dem Campus unterwegs, es war Rush-hour. Nur kurz zur Post wollte ich noch, stelle mein Rad also neben die anderen Räder... komme zurück, da steht es, bereits auf einen grossen Laster aufgeladen, zusammen mit den Rädern, neben die ich es gestellt hatte. „Unbefugtes Parken“, musste ich mich belehren lassen. Ich konnte noch so um Vergebung betteln, nichts half, die Männer blieben eisern. „Was jetzt?“, fragte ich schliesslich hilflos und völlig aufgelöst. Ich könne auf den Shuiyuan-Campus kommen und es dort abholen, bekam ich zur Antwort. Ich solle halt möglichst bald vorbeikommen, sonst würde es bei der nächsten Auktion verkauft. Aja!
Clevere Geschäftemacher sind sie schon, die Taiwanesen!

Samstag, 13. September 2008

Erste Grüsse aus der Glitzergrossstadt!

Seit gut einer Woche bin ich nun hier in Taipei. Und es geht mir prächtig!

Diese Tage regnet es stark; Taifun Sinlaku bringt starken Wind und Regenfälle mit sich. Drinnen wird es stündlich feuchter, durchässte Schuhe bleiben nass. Das traditionelle Mondfest (oder Mittherbstfest), welches dieses Wochenende gefeiert wird, wird völlig verregnet. Die starken Regenfälle bringen jedoch auch ihr Gutes mit sich: Man kann sich getrost vor den Computer setzen. ;-)

Mein erster Eindruck von Taipei? Taipei ist das Zürich Taiwans. Oder Genf. Oder Lugano. Oder St. Moritz... Taipei ist eine Glitzerstadt. Ist repräsentative Landeshauptstadt. Eine pulsierende Stadt, eine Stadt, die niemals schläft. Eine Stadt mit modernsten Shoppingmalls und mit modernster Architektur. Dem visuellen Eindruck wird überall und in jeder Hinsicht grösste Bedeutung beigemessen. Jeden Tag bewegt man sich in einem Strom hunderter schöner Menschen, die keine Mühen scheuen, sich tagtäglich mit grösster Sorgfalt zu stylen und sich aufwändig zurecht zu machen. Noch immer ist es mir ein Rätsel, wie die Taipeierinnen bei diesen feucht-heissen Verhältnissen ein so perfektes Make-up hinbekommen. Und die aufwändig frisierten Taipeier! Schlägt man ein Hochglanz-Modemagazin auf, so sind die abgebildeten Beaus nicht minder grossartig gestylt! Manchmal meint man geradezu, eine ganze Stadt befände sich auf dem Weg zur Silvester-Cocktailparty! Taipei ist eine aufregende, junge und unglaublich bunte Stadt. Das Auge wird hier nicht nur gereizt, es wird überstrapaziert - wenn auch im Guten!

Das Leben in Taipei ist unglaublich bequem. Taipei verfügt über eine bestens ausgebaute Metro. Überall und zu jeder Uhrzeit bekommt man leckeres Essen. Ich meine, wirklich leckeres Essen! Schöne, exotische Fruchtsäfte, Tees und Getränke jeder Art gibt es an jedem nur erdenklichen Ort zu kaufen. Taipei bietet einem alles, was das Herz begehrt. Und noch viel mehr! Das ist mein erster Eindruck.

Natürlich gibt es in Taipei auch kleine Tofubrater an Ständchen und Putzequippen in grossen Warenhäusern. Vom ewigen Konsumerismus gelangweilte Gesichter und von jahrzehntelanger körperlicher Arbeit gekrümmte Rücken. Dennoch: Taipei ist definitiv eine fröhliche und ausgelassene Grossstadt. Denn Taipei ist Teil Taiwans und somit eine südländische Stadt. Die taiwanesische Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft sind auch hier zu spüren. Und immer wieder fasziniert die Intensivität, mir der hier gelebt wird. Das Leben hier macht Spass, auch wenn es draussen gnadenlos heiss ist. Oder aber auch, wenn es regnet. Alles ist bunt, alles ist in Bewegung, alles lebt, ist laut. Hier wird sehr intensiv gelebt. Ich möchte nicht unbedingt sagen, sorgenfreier als bei uns. Aber weniger zaghaft. Auf eine positive Art intensiver. Das gefällt mir hier!