Sonntag, 30. November 2008

Frühlingshafte Wintergrüsse

Es ist Winter geworden hier in Taipei. Bisher zwar kaum kälter als 10 Grad, aber drinnen kann es bisweilen ziemlich kühl werden. Abends nach Sonnenuntergang spürt man deutlich, wie die nächtliche Kälte allmählich ins Zimmer kriecht und sich dort ausbreitet; morgens wacht man mit einer kalten Nasenspitze auf und braucht zusätzlich zwei Minuten, bis man sich in Vorfreude auf die warme Dusche, die einen erwartet, dazu überwunden hat, aus dem Bett zu steigen. Doch dann kann der Tag beginnen und man wird von frühlingshaftem Wintersonnenschein begrüsst. Das Wetter ist grandios diese Tage! Es weht ein kühler, trockener Wind, es ist wunderbar klar und die Sonne ist mittags noch so warm, dass man gut ohne Jacke dasitzen kann. Und wie schön das warme, weiche Licht ist! Nachmittags, wenn die Sonne schräg auf die Stadt scheint und alles in einen goldenen Glanz hüllt, erinnern der Palmboulevard und das Bibliotheksgebäude des Unicampus jeweils an Kulissen aus diesen stimmungsvollen Filmen, die durch einen Gold- oder Gelbfilter aufgenommenen werden. Der Unicampus wird dann für ein paar Stunden zu einer dieser Traumlandschaften, alles wird zu Szenen, zu Bildern, ein Zusammenwirken von Landschaft und Menschen, Bilder, die sich Sekunde für Sekunde verändern.



An solchen Tagen freue ich mich besonders über meinen Aufenthalt hier. Wer glaubt, ich hätte hier so lange nichts mehr geschrieben, weil es nichts Neues mehr zu erzählen gebe, der kann sich beruhigt fühlen: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Je länger ich hier bin, desto mehr entdecke ich, desto mehr erlebe ich, desto mehr Leute lerne ich kennen. Das ist überhaupt etwas vom Interessantesten, all die Leute, die man hier kennen lernt, mit denen man hier in Kontakt kommt: Seien es Studenten aus ganz Taiwan, sei es die Zimmernachbarin aus San Francisco, der südamerikanische Student aus Paris oder der Masterstudent aus Indonesien; seien es die angesagtesten zeitgenössischen, chinesischsprachigen Dichter, denen man die Hand schüttelt, der renommierte Professor aus Bonn, von dem man eingeladen wird, oder der über 80-jährige schwedische Sinologe. Oder seien es unzählige Leute, die man ganz zufällig trifft, entweder, weil man etwas kauft bei ihnen, oder weil man auf der Strasse angesprochen wird, und mit denen man sich dann lange unterhält. Jeder auch noch so unbedeutende Kontakt ist interessant für sich, denn jedes Mal hört und lernt man etwas Neues, etwas, das man wieder vergisst oder unberührt mit sich trägt, oder aber etwas, das man weiterverfolgt und das einen so wieder zu neuen Kontakten, zu weiteren Erlebnissen und Erkenntnissen führt.





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